Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11
"Liebe Mitschülerinnen und Mitschüler, liebe Lehrkräfte, sehr geehrte Damen und Herren,
wir stehen heute hier in Börnicke, an einem Ort, der uns alle mahnt. Ein Ort, der still geworden ist, aber dessen Geschichte laut schreit. Wir stehen hier nicht nur auf märkischen Boden. Wir stehen auf einem Fundament von Leid, Gewalt und Unrecht – einem Ort, an dem vor über 90 Jahren Menschen gefoltert, entwürdigt und ermordet wurden.
Es fing nicht mit Auschwitz an.
Wenn wir heute an die verbrechen der Nationalsozialisten denken, fällt vielen sofort Auschwitz ein – das Symbol für den industriellen Massenmord an Millionen. Doch Auschwitz war nicht der Anfang. Der Anfang lag viel früher. Der Anfang lag hier. In Orten wie Börnicke.
Im Mai 1933 – nur wenige Monate nach der Machtübernahme Hitlers – wurde hier in Börnicke eines der ersten Konzentrationslager in Brandenburg errichtet . SA-Leute, SS-Männer, Polizisten und Angehörige des „Stahlhelms“ verschleppten in nur drei Monaten zwischen 500 und 600 Menschen hierher – politische Gegner, mutige Demokratinnen und Demokraten, Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, jüdische Menschen.
Sie wurden geschlagen, gefoltert, zur Arbeit gezwungen. Einige überlebten das nicht. Mindestens 18 Menschen wurden hier von der SA-Standarte 224 ermordet – hier oder an anderen Orten im Osthavelland.
Diese Menschen hatten Gesichter, Namen, Familien, Träume, Mut …
Warum ist es wichtig, dass gerade wir junge Menschen uns heute daran erinnern?
Weil Geschichte sich nicht wiederholen muss, aber sie kann, wenn wir nicht aufpassen.
Heute genau 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, nach der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus – ist unsere Demokratie nicht einfach sicher. Nicht selbstverständlich. Sie ist bedroht. Von Rechtsextremisten, Populisten, von Hetze und Hass in den sozialen Netzwerken. Von Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Rassismus. Von Gruppen, die wieder anfangen, Menschen zu sortieren: In „wir“ und „die anderen“.
Und genau deshalb stehen wir hier.
Wir stehen hier, weil wir Verantwortung tragen. Auch wenn wir nicht persönlich Schuld haben – wir haben eine Aufgabe. Eine Aufgabe, die aus der Vergangenheit erwächst.
Wir als Schülerinnen und Schüler des GGN, einer „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, haben uns verpflichtet:
Für ein Miteinander in Respekt, gegen Ausgrenzung, für Vielfalt, für Demokratie. Das ist kein Etikett, das ist ein Auftrag.
Wir müssen laut sein, wo andere schweigen. Mutig, wo andere weggucken.
Gerade jetzt, wo rechtsextreme Parteien wieder an Zustimmung gewinnen, wo Menschen wieder bedroht werden, weil sie anders aussehen, anders glauben, anders lieben, müssen wir uns fragen: Was hätten wir damals getan?
Und wichtiger: Was tun wir heute?
Wir haben keine Zeitmaschine, aber wir haben eine Stimme. Und die können wir nutzen für Toleranz. Für Menschenwürde. Für den Rechtsstaat. Für all das, was Diktaturen wie die Nazis zerstören wollten.
'Seid Menschen!', das hat Margot Friedländer uns mit auf den Weg gegeben. Diese beeindruckende Frau, die selbst die Shoa überlebt hat, ist vor wenigen Tagen gestorben. Sie war bis zum Schluss unterwegs in Schulen, hat mit uns gesprochen, erzählt – nicht, um uns Angst zu machen, sondern um uns zu ermutigen.
'Seid Menschen!', das klingt so einfach. Und doch ist es das Schwerste. Mensch sein heißt: Empathie und Verantwortung zeigen. Und das fängt nicht irgendwo in Berlin und Brüssel an, das fängt bei uns an. Im Klassenzimmer. Auf dem Schulhof. In WhatsApp-Gruppen. Auf dem Heimweg.
Wir erinnern uns heute nicht, um in der Vergangenheit zu leben, sondern um aus ihr zu lernen+
Jeder Mensch, der hier in Börnicke gelitten hat, war ein Mensch wie wir. Mit einem Leben, einer Geschichte, mit Hoffnungen. Dass wir heute stehen können, in Freiheit, mit offenen Augen, offenem Herzen, das verdanken wir auch den Verstorbenen.
Vergessen ist keine Option. Schweigen ist keine Option.
Gedenken heißt: Verantwortung übernehmen.
Mit den Worten von Margot Friedländer
'Wir sind alle gleich. Es gibt kein christliches, kein muslimisches, kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut.' "
Carla Fee Kron und Maximilian Scharf, im Namen der Schülerinnen und Schüler der Geschichtskurse der 11. Jahrgangsstufe
Begleitet wurde die Gedenkveranstaltung von Josephine Fleischer am ePiano und Mia Meyering und Aaliyah Zellmer, die sich für das deutsche Volkslied über die Gedankenfreiheit zum Abschluss entschieden.
„…Und sperrt man mich ein im finsteren Kerker,
das alles sind rein vergebliche Werke;
denn meine Gedanken zerreißen die Schranken und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei…“
Besonderer Dank gilt Herrn Steffen Graul-Egerland, der zusammen mit seinen Schülerinnen und Schülern sowie Frau Artelt, Stadt Nauen, diese eindrückliche Gedenkveranstaltung organisierte.